Auch wenn ich als Wahlhamburger quasi um die Ecke von Dänemark wohne, habe ich es bislang noch nie geschafft, dem Roskilde Festival einen Besuch abzustatten. In diesem Jahr war es endlich soweit: Dankenswerterweise mit einer Presse-Akkreditierung ausgestattet machte ich mich auf den Weg, um dem sagenumwobenen Orange Feeling auf die Spur zu gehen. Ein chronologischer Bericht.
Mittwoch – Tag 1
Es ist ein fabelhaft sonniger Mittwochnachmittag, als ich am Bahnhof der dänischen Kleinstadt Roskilde ankomme. Ich wundere mich zunächst, wieso hier so verhältnismäßig wenig los ist – bis mir bewusst wird, dass ein Großteil des Publikums ja bereits seit mehreren Tagen auf dem Campinggelände abhängt. Seit dem letzten Samstag genießen bereits mehrere zehntausend Besucher und Besucherinnen das Vorprogramm und trainieren die Leber für den Ernst des Lebens. Und der beginnt heute: Auf den insgesamt acht Bühnen spielen nun vier Tage lang die richtig dicken Fische, von Kendrick Lamar über Lil Nas X bis hin zu Blur und Rosalía. Erneut hat sich das Bookingteam in allen möglichen Spielarten der Unterhaltungsmusik umgesehen und Newcomer und Urgesteine gleichermaßen aufs Festival geladen.
Die ersten Minuten auf dem ruhig gelegenen Pressecampingplatz und dem langsam füllenden Festivalgelände verlaufen überraschend entspannt für eine Veranstaltung mit einer Kapazität von über 100.000 Leuten. Die Ordner und Ordnerinnen – allesamt Teil des riesigen Volunteer-Networks, auf dem das Festival baut – zeigen mir freundlich-verkatert den Weg zu den Zelten und winken mich gähnend durch die Einlassschleusen des Geländes am südlichen Stadtrand von Roskilde. Der erste Eindruck ist wirklich angenehm: Nicht nur wird man hier von Werbung und Sponsorings verschont, auch gibt es ausschließlich Wassertoiletten auf dem Gelände. Klassische Dixi-Klos? Fehlanzeige. Zwei riesengroße Pluspunkte, die man auf größeren Festivals hierzulande nur selten findet.
Die Arena-Stage ist ein wuchtiger Sechsmaster und mit einer Kapazität von rund 16.000 Menschen die zweitgrößte Bühne vom Roskilde Festival. Sie ist heute mein erstes Ziel, denn Fever Ray spielen dort. Was für ein Bollwerk von einer Bühne, was für ein grandioser Sound unter dem turmhohen Zeltdach! Besonders der Still Not Done-Remix von ihrem Hit I’m Not Done entfaltet hier sein volles Potential. Hervorragender Einstieg in den Festival-Alltag.
Im Anschluss daran finde ich mich plötzlich in einer halbdunklen, clubartigen Bühne wieder: Gloria. Hier geben sich Chat Pile vor vollem Haus die Ehre und stellen unter Beweis, dass das Booking auch nicht vor Sludge und Noiserock zurückschreckt. Schöner Gig, aber auch 2023 gilt: Lasst doch auf der Bühne bitte einfach euer Shirt an. So sehr hast du dich nun auch nicht verausgabt, lieber Sänger. Direkt danach gebe ich mir als scheinbar letzter Mensch auf dieser Erde einen Gig von Kendrick Lamar, der die Orange Stage an diesem Tag abschließt. US-Rap wird zwar nach wie vor nicht mein Steckenpferd, aber dennoch bereue ich keine Minute dieses höchst unterhaltsamen, mit reichlich Pyrotechnik versehenen Auftritts. So kann es gerne weitergehen.
Den Abschluss des Tages bieten Queens of the Stone Age. Mein letzter Festivalgig der Band liegt 18 Jahre zurück, uff. Voller Neugierde, ob sie noch die Energie ihrer alten Tage haben, sprinte ich zurück in die Arena. Wie schon bei Kendrick zuvor habe ich auch hier keine größeren Probleme einen Platz im vorderen Bereich zu ergattern. Josh und seine Band sind in Top-Form; ein Set, das mit ihrem größten Hit No One Knows beginnt, kann halt auch nur gut werden. Und tatsächlich: Die Band packt einen Banger nach dem anderen aus und verzichtet dankenswerterweise auf allzu viele neue Songs. Die ursprünglichen Bedenken, dass die Band über ihren Zenit hinaus sein könnte, konnte zumindest diese Live-Performance schnell zerstreuen. Wahnsinn!