* Disclaimer zum Monis Rache Festival: Wie wohl jeder andere Gast des Festivals habe auch ich vor Kurzem von den Vorfällen im Jahr 2018 erfahren [nd | Youtube]. Es hinterlässt mich fassungslos, mit welcher Leichtfertigkeit die Orga ohnehin schon mühsam zu erkämpfende und spärlich gesäte Freiräume in der Festivallandschaft aufs Spiel setzt, um einen Täter zu decken, der in tiefste persönliche Freiräume eingreift. Ich wünsche allen Betroffenen (was nicht weniger als alle Gäste der Veranstaltung sind) genug Kraft, um diese Situation zu überwinden; genug Energie, um zweifelhafte Dinge auch in Zukunft anzusprechen und zu hinterfragen; und nicht zuletzt die nötige Zuversicht, um sich auf zukünftigen Festivals nicht unnötig verunsichern zu lassen. Passt auf euch auf!
Unveränderter Originalartikel vom 14.10.2018:
Klein, charmant und voller Leben: Veranstaltungen wie das Moyn Moyn Festival oder Monis Rache bieten nicht nur Freiräume, die man auf großen Festivals zuweilen schmerzlich vermisst, sondern setzen mit einer progressiven Ausrichtung vorbildliche Denkanstöße für den übersättigten Festivalmarkt.
Es müssen nicht immer Hurricane und Konsorten sein: Obwohl ich ein Freund großer Festivals bin, habe ich mir seit Ewigkeiten vorgenommen, mal kleinere Veranstaltungen zu besuchen, bei denen es um mehr als nur die Musik geht. Doch welches sollte man wählen? Schließlich sprießen Festivals dieser Art in den letzten Jahren in allen Ecken der Republik aus dem Boden und ziehen mit alternativen Konzepten einiges an Aufmerksamkeit auf sich – man denke nur an 3000°, die Bucht der Träumer* oder das Fusion Festival – alle waren sie bereits lange im Voraus ausverkauft. Und im Falle der Fusion sogar schon über sich hinausgewachsen.
Meine Wahl fiel in diesem Sommer gleich auf zwei solcher Festivals, die noch vergleichsweise jung sind. Zum einen Monis Rache, das 2018 zum dritten Mal auf einem ehemaligen Militärflugplatz im Nordosten des Landes stattfindet, zum anderen das Moyn Moyn Festival, das seinen zweiten Geburtstag in Oyten bei Bremen feiert. Beide Festivals haben nicht mehr als 5000 Gäste, befinden sich malerisch eingebettet in ländlicher Umgebung und glänzen mit einem elektronisch ausgerichteten Line Up, das erst kurz vor Veranstaltungsbeginn veröffentlicht wird.
Im Gegensatz zu den hiesigen Major-Festivals ist das musikalische Programm hier nicht das Alleinstellungsmerkmal und wird sogar zur Nebensache. Vielmehr geht es diesen Veranstaltungen um das Herstellen von Freiräumen für Entfaltung, Rückzug und kreativen Ausdruck.
Weder Monis Rache noch das Moyn Moyn machen mit Werbung auf sich aufmerksam. Wer hier teilnimmt, weiß entweder um den Charakter der Veranstaltung, oder ist zumindest offen für Neues. Zudem gibt es die Möglichkeit, schichtweise bei der Organisation und Durchführung mitzuhelfen und dafür am Eintrittsgeld zu sparen. Das kommt Geringverdienenden entgegen und spannt gleichzeitig eine Brücke zwischen Veranstaltern und Publikum.
Auch auf dem Gelände haben beide Veranstaltungen weder Werbekampagnen noch Sponsoring nötig. Den zur Verfügung stehenden Platz nutzen unterschiedliche Crews für Kunst in allen ihren Facetten. Die Bühnen sind indes nicht allein den Techno- und House-DJs vorenthalten, die bis in die Nachmittagsstunden hinein Vollgas geben: Sie bieten zusätzlichen Raum für Lesungen, Yoga und Workshops, sodass man den Körper nach einer durchtanzten Nacht wieder in den Normalzustand fahren kann.
So hat der geneigte Festivalbesucher regelmäßig die Qual der Wahl: Feiern, entspannen oder mitmachen? Die Entscheidung fällt gar nicht so leicht, denn während sich die Programmpunkte überschlagen – lange ist nicht alles im Timetable angegeben – belohnt das Festival den gesunden Entdeckergeist. Auf den Arealen gesellen sich neben den kreativ gezimmerten Bühnen, Bars und Büdchen noch Ballpools, Spielecken und sogar geheime Saunas und Dampfbäder. Zahlreiche, teils interaktive, Installationen reißen die Besucher visuell von den Socken oder regen zu Diskussionen an. Hier wird aktive Partizipation gelebt!
Sowohl das Moyn Moyn Festival als auch Monis Rache habe ich anders als bisherige Festivals wahrgenommen. Sie sind nicht nur Orte von Exzess, Spaß und Feierei, sondern auch Zentren von Dialog, Reflexion und Austausch. Und das sollte man unbedingt unterstützen! Nicht zuletzt fördern Veranstaltungen dieser Art die kulturelle Entwicklung in den jeweiligen Regionen. Wie gut, dass es noch zahlreiche weitere solcher Kleinode in Deutschland gibt. Man muss nur die Augen offen halten.