Eine Zugfahrt, die ist lustig! Nach einem aufregenden Trip durch den nördlichen Teil der Kupferschlucht bin ich in Urique angekommen. Eigentlich wollte ich hier drei Tage bleiben, um mir die Umgebung des Canyons in Ruhe anzuschauen. Dabei habe ich allerdings nicht die Rechnung mit dem Wetter gemacht.
Es ist Trockenzeit und die Sonne brutzelt unbarmherzig vom Himmel. Der sonst so prächtige Fluss Rio Urique liegt beinahe brach und man kann nur erahnen, wie es hier aussieht, wenn alles blüht. Trotz der Dürre befinden sich im Garten unseres Hostels neben einem übermenschlich großen Kaktus viele Obstbäume, die Schatten spenden. Der Besitzer bietet uns reichlich Früchte zum Naschen an und führt uns durch sein Domizil.
Aktuell sind wir die einzigen drei Besucher, die es in das heiße Dorf Urique, mitten in der Kupferschlucht, verschlagen hat. So sind wir schon am Tag danach bei allen Bewohnern bekannt und bekommen besonders von denjenigen ein wissendes Lächeln entgegengebracht, mit denen wir am Vortag die halsbrecherische Hinfahrt überlebt haben.
Trotz der angenehm freundlichen Stimmung liegt eine angespannte Atmosphäre über Urique. Die Kupferschlucht ist einer der Hot Spots für den Anbau von Marihuana und nicht wenige verdienen ihr Geld damit – ob sie wollen oder nicht. Die Dorfbewohner müssen nach den Regeln der Narcos spielen.
Die Regierung steuert zwar dagegen und subventioniert jeglichen Feldanbau, der nicht mit dem Gras zu tun hat, aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Besonders tragisch: Urique war mehrere Jahre lang Austragungsort eines Ultramarathons über 83 Kilometer. Im Jahr 2015 musste er jedoch abgesagt werden, da die Route durch Anbaugebiete führte, was den Drogenhändlern ein Dorn im Auge war. Das alles wirkt für uns Auswärtige unfassbar – die Dorfbewohner haben diese Umstände mittlerweile in ihren Alltag integriert.
Dennoch ist die Gegend eine Reise wert – und das nicht nur aufgrund der freundlichen Leute und der jeder-kennt-jeden-Atmosphäre. Die Umgebung des Canyons ist unglaublich schön; reist man nicht unbedingt in den heißesten Wochen des Jahres an, kann man tolle Wanderungen unternehmen und fernab der modernen Zivilisation entspannen. Und auch wenn die Geschichte um den Ultramarathon zum Nachdenken anregen mag, ist die Gegend für Reisende sicher…sofern sie sich auf den üblichen und bekannten Pfaden bewegen.
Nach zwei Tagen Aufenthalt treten wir zeitiger als geplant den Rückzug zum Bahnhof von Bahuichivo an. Die Hitze ist einfach kaum auszuhalten. Glücklicherweise nimmt uns ein netter Einheimischer in seinem Truck mit und weist unseren Dank in Form von Geld freundlich ab. Gut für uns, so sparen wir 180 Pesos für die Fahrt im antiken Schulbus und schonen dabei Geldbeutel und Nervenkostüm.
Oben angekommen gilt es erst einmal ein Ticket für den Rest der Zugstrecke mit El Chepe zu besorgen. Ich muss in den sauren Apfel beißen und ein teures Ticket für die erste Klasse kaufen, die nur an diesem Tag verkehrt. Einen wirklichen Vorteil bringt mir das nicht, der einzige Unterschied zwischen den beiden Klassen ist die Existenz eines Speisewagens und die etwas schnellere Geschwindigkeit der ersten Klasse.
Noch drei Stunden, bis der Zug abfährt. Neben dem Bahnhof hat Bahuichivo nicht viel zu bieten. Mit Vogelbeobachtung und Fotografieren schlagen wir die Wartezeit irgendwie tot. Irgendwie nimmt man die Gegend mit anderen Augen wahr, wenn man weiß, was hier „hinter den Kulissen“ passiert.
Die anschließende Talfahrt gehört zu den schönsten Strecken, die ich jemals mit einem Zug gefahren bin. Ich stehe beinahe die ganze Zeit zwischen den Wagons und lasse mir den brutal heißen Fahrtwind ins Gesicht peitschen während El Chepe sich durch den Canyon schlängelt. Wie gut, dass es innen eine Klimaanlage gibt!
Der Zug passiert zahlreiche Tunnel, Brücken und Haarnadelkurven und verliert zusehends an Höhenmetern. Nach rund drei Stunden verschwinden die Berge des Canyons langsam in der Ferne hinter uns. Eine schier endlose Steppe löst die Gebirgs-Szenerie ab.
Der Moment der Verabschiedung ist gekommen: Meine beiden Mitreisenden düsen noch bis zur Endhaltestelle in Los Mochis weiter, während ich bereits 85 Kilometer zuvor im kompakten Kolonialstädtchen El Fuerte aussteige. Obwohl ich auch nach Los Mochis möchte, entscheide ich mich für eine Weiterfahrt im Bus. Wie schon zum Beginn der Reise kommt man auch hier wieder effizienter auf der Straße voran und spart zugleich ein Vielfaches an Geld.
Eigentlich gefällt mir El Fuerte ganz gut. Es wirkt ein wenig wie ein Valladolid, nur eben in der Steppe. Auf meiner ständigen Suche nach dem nächsten Schattenplatz bekomme ich kaum etwas von der Stadt mit. Das Thermometer erreicht locker 40 Grad im Schatten und ich sehne mich nach den letzten Tagen nach einer Abkühlung. Genug Abenteuer im Canyon erlebt. Zum Glück ist die Pazifikküste nicht mehr weit entfernt…
Das war der zweite Teil meines Berichts über die Kupferschlucht. Hier gibt es den ersten Teil über die Fahrt nach Urique zu lesen.