Meine letzten Tage in Mexiko gehörten gleichzeitig zu den spannendsten: Yaxchilán, ein altes Maya-Handelszentrum mitten im Dschungel, ließ uns sprachlos zurück – und eine Grenzüberquerung per Boot hat man auch nicht alle Tage.
Nachdem wir bereits einige schwülwarme Tage in Chiapas verbracht haben, geht die Reise weiter in Richtung Guatemala. Für die letzte Nacht in Mexiko haben wir Frontera Corozal auserkoren – eine zur Grenzstadt herangewachsene Einöde, die zum Großteil aus staubigen Straßen und Wohnhäusern besteht. Der Angestellte im Immigration Office dreht gelangweilt Däumchen und die Dorfjugend schlägt die Zeit auf dem Basketballfeld tot. Ansonsten gibt’s hier nicht viel zu erleben.
Und trotzdem haben wir schon einige Wochen zuvor den Entschluss gefasst, die Grenze ausgerechnet hier zu überqueren. In einem Boot macht man das schließlich nicht alle Tage. Zudem liegen gleich in der Nähe die Ruinen von Yaxchilán versteckt im Dschungel.
Zunächst ist aber leichte Panik angesagt: In Frontera Corozal gibt es genau null Geldautomaten und die nächste Gelegenheit, um an Bargeld zu kommen, ist eine gute Fahrtstunde entfernt. Also kramen wir tief in unseren Taschen nach unseren letzten Geldreserven. Müsste passen.
Da die Ruinen von Yaxchilán nur mit dem Boot zu erreichen sind, hoffen wir, dass wir jemanden finden, mit dem wir das Gefährt und somit auch die Kosten teilen können. Aktuell sieht es nicht gerade danach aus. Wir sind jedoch guter Dinge, da wir in einer Herberge unterkommen, in der bevorzugt Touristengruppen einkehren.
Tatsächlich trudelt am Abend ein Grüppchen einheimischer Schüler ein. Muss wohl eine Exkursion sein. Was sonst soll man hier machen, wenn nicht Yaxchilán besuchen?! Das Glück ist auf unserer Seite, mutmaßen wir. Als Einstimmung auf den nächsten Tag schauen wir uns Indiana Jones und der Tempel des Todes an und stellen den Wecker brutal zeitig auf um 5 Uhr in der Frühe.
Am nächsten Morgen wartet tatsächlich ein fast voll besetztes Boot auf seine letzten beiden Passagiere. Flugs, wenn auch verschlafen, setzen wir uns hinzu und genießen die Reise entlang des nebelumschlungenen Dschungelflusses Usumacinta.
Nach unserer Ankunft gibt uns der Bootsfahrer zwei Stunden Zeit, um Yaxchilán auf eigene Faust zu erforschen. Da das Areal auf der Karte nicht besonders groß aussieht, erachten wir diesen Rahmen als angemessen. Nicht zuletzt wollen wir ja nachmittags noch die Grenze überqueren.
Die Ruine selbst gehört zu den abenteuerlichsten, die wir bisher gesehen haben. Nicht nur ihre abgeschiedene Lage im Dschungel lässt sie mysteriös wirken – etliche Brüllaffen haben hier ihr zu Hause, sodass es klingt, als ob die ganze Umgebung voller Dinosaurier ist. Die Affen begleiten uns auf Schritt und Tritt – doch zu sehen sind sie nirgends. Dafür ist ihr furchteinflößendes Gekreische in jedem Winkel des Areals wahrzunehmen.
Wie bei so vielen anderen Maya-Ruinen ist auch von Yaxchilán bisher nur ein Bruchteil freigelegt worden. Durch seine Lage am Fluss ist die Stadt ein wichtiges Handelszentrum der Maya gewesen; ansonsten weiß man noch nicht viel darüber.
Für lange Zeit gab es im Umkreis von 100 Kilometern keinen leichten Zugang zu den Ruinen. Forscher und abenteuerlustige Touristen mussten hunderte Meilen entlang des Rio Usumacinta fahren, um Yaxchilán zu erreichen. Das änderte sich, nachdem in den 90er Jahren die Straßen in der Umgebung ausgebaut worden sind.
Im Gegensatz zu den meisten anderen archäologischen Stätten kann man in Yaxchilán die Gebäude von innen erkunden. El Laberinto (= das Labyrinth) beispielsweise besteht aus einem verschachtelten Gewölbe, in dem sich etliche Fledermäuse eingenistet haben. Ohne Taschenlampe sollte man gar nicht erst versuchen, es zu betreten. Bei unserem Streifzug durch die verlassenen Ruinen, stets umgeben von den bedrohlichen Geräuschen, fühlen wir uns tatsächlich ein wenig wie Indiana Jones.
Auf der Rückfahrt passieren wir zwei Krokodile und erkennen ohne den Morgennebel erst, wie üppig bewachsen die Ufer sind. Zurück in Frontera Corozal machen wir einen guten Deal für die Überfahrt nach Guatemala aus. Weit ist es nicht, das Grenzdorf Bethel befindet sich fast direkt gegenüber unseres Bootsanlegers.
Nur noch den notwendigen Ausreisestempel abholen, ein letztes Mal mexikanische Chilaquiles essen, und ab geht es nach Guatemala. Das Boot zur Grenze ist klein und bescheiden, neben uns sitzt nur noch eine Mutter samt Tochter und einem riesigen Haufen Gepäck. Der Steuermann ist ein Jugendlicher, der mit den Überfahrten sein Taschengeld aufbessert.
Am Ende kostet uns die Überfahrt nach Bethel noch nicht einmal einen Euro – weitaus günstiger, als uns der Tourveranstalter neben unserem Hotel weismachen wollte. Auf der anderen Seite des Ufers erfahren wir, dass der Anschlussbus nach Flores in fünf Minuten kommt.
Unsere Rechnung ging auf – beinahe ohne weiteres Geld in den Taschen freuen wir uns, dass alles nach Plan gelaufen ist. Na dann, willkommen in Guatemala!
[…] Sonne knallt unbarmherzig vom Himmel, während wir von der Mexikanischen Grenze nach Flores fahren. Viel gibt es hier nicht zu sehen: Karge, staubige Landschaften ziehen am Bus […]