Zum Inhalt springen

Gastbeitrag: San José del Pacifico: Mit dem Kopf in den Wolken

Gastbeitrag von Thomas Harsdorff.

Vorwort: Zunächst einmal danke, Danilo, dass du meinen kleinen Gastbeitrag hier in deinem Blog veröffentlichst. Unsere schönen gemeinsamen Naturerlebnisse in Real de Catorce, Xilitla und auf dem Iztaccihuatl sowie die tollen Beiträge dazu haben mich erst bewegt, überhaupt etwas über San José del Pacifico zu schreiben.

San José del Pacifico – in den meisten Reiseführern ist dieses Bergdörfchen nur eine Randnotiz. Selbst nach mehr als einem halben Jahr in Mexiko und unzähligen Gesprächen mit Backpackern war mir dieser Ort lange kein Begriff – bis zu meinem dreiwöchigen Aufenthalt in Puerto Escondido. Dort hörte ich fast täglich Leute von dem Dorf in den Wolken und seinen wunderbaren Ausblicken schwärmen. Schnell war mein Interesse geweckt und der Entschluss gefasst, dort ein paar Nächte zu verbringen.

San José del Pacifico liegt inmitten der malerischen Berge Oaxacas, etwa auf halber Strecke zwischen Puerto Escondido und Júarez de Oaxaca, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates im Süden Mexikos. Perfekt also für einen Zwischenstopp, wenn man sowieso auf dieser Route unterwegs ist. Aus beiden Richtungen kostet das Colectivo dorthin momentan 95 Pesos.

Blick aufs Dorf

Neben der wunderbaren Szenerie hat dieses Kleinod vor allem wegen der dort wachsenden Pilze Bekanntheit erlangt. Denn diese „hongos mexicanos“ (= mexikanische Pilze) sind so genannte Magic Mushrooms und sorgen bei Konsum für einen psychedelischen Rausch. Dass das Gesetz Ernte, Verkauf und Konsum dieser kleinen Kerlchen verbietet, scheint in San José del Pacifico niemanden zu interessieren. Denn was nach der Ankunft sofort auffällt: Die Pilze sind omnipräsent. Street Art und sämtliche Souvenirs sind geprägt von Pilzmotiven.

Während der Pilz-Saison von Juli bis September kann man sie frisch gepflückt an jeder Ecke kaufen. Selbst die meisten Unterkünfte bieten an, frische Pilze bis zum Zimmer zu liefern. Kostenpunkt für sieben Pilze und damit einen Trip sind in der Regel 150 Pesos. Auch außerhalb der Saison kann man sie getrocknet oder eingelegt in Honig kaufen, der Preis ist dann aufgrund des geringeren Angebotes etwas höher. Doch dazu später mehr.

Nach etwa fünf Stunden Fahrt in Bus und Colectivo von Puerto Escondido aus erreichten wir San José del Pacifico. Warme Bergsonne schien uns ins Gesicht und schnell wurde klar, dass dieser Ort vom Tourismus lebt. Entlang der Hauptstraße ist quasi jedes Haus entweder eine Unterkunft oder ein Restaurant. Wir hatten zuvor gehört, dass „La Cumbre“ (= der Gipfel) eine wunderbare Unterkunft sei und machten uns folglich direkt auf den Weg dorthin. Nach circa zehn Minuten Fußmarsch bergauf erreichten wir La Cumbre, wo man ein schlichtes Doppelzimmer mit Bad für 300 Pesos die Nacht bekommt. Der Ausblick von den Zimmern, alle ausgestattet mit kleiner Terrasse oder Balkon, ist atemberaubend.

Bergsonne genießen
Blick auf die heranziehenden Wolken

Demnach machten wir an Tag eins nichts anderes, als bei heißer Schokolade und Zigarette, eingepackt in sämtliche Pullis (Ja, hier wird es abends und nachts richtig kalt!), den Sonnenuntergang und die unter uns herbei rollenden Wolken zu beobachten, sowie den anderen Backpackern zu lauschen, die teils von ihren Mushroom-Trips berichteten und teils gerade noch auf selbigem waren. Dann ging es früh ins Bett.

Nachts -und ich empfehle wirklich JEDEM, der in San José del Pacifico weilt, das selbe zu tun- standen wir auf, um den kristallklaren Sternenhimmel zu bewundern. 2500 Meter Höhe, in über 100 Kilometer Umkreis keine größere Stadt und saubere, frische Bergluft – diese Bedingungen sorgen für einen atemberaubenden Anblick. Da sind auf einmal doppelt so viele Sterne wie sonst da oben. Und Sternschnuppen. Im Minutentakt. Schade, dass meine Kamera zu limitiert ist, um das festzuhalten.

An Tag 2 wechselten wir morgens die Unterkunft. La Cumbre ist der perfekte Ort, um andere Backpacker zu treffen, sich auszutauschen und Gesellschaft für psychedelische Trips zu finden, wir wollten jedoch ein bisschen mehr Privatsphäre und zogen folglich in eine kleine Hütte der Cabañas „Puesta del Sol“ (=Sonnenuntergang), wo man für 400 bis 700 Pesos die Nacht in wunderbarer, abgeschiedener Atmosphäre sehr saubere und geschmackvoll eingerichtete Unterkünfte mit Kamin, Terrasse und atemberaubenden Ausblicken bekommt.

Die Cabañas liegen inmitten eines wunderbar gepflegten Gartens und bieten Warmwasser, ein uriges Restaurant und gegen einen kleinen Aufpreis auch Internet (das allerdings über Satellit reinkommt und bei dichten Wolken nicht funktioniert), auf das man hier allerdings auch gut verzichten kann. In San José del Pacifico verbringt man schlicht den Großteil seiner Zeit einfach auf der Terrasse vorm Zimmer und genießt die Aussicht, Stille und Natur. Deshalb gehe ich hier bezüglich der Unterkunft auch ein bisschen näher ins Detail.

Schlafzimmerblick

Nachdem wir unsere Cabaña bezogen hatten, war es auch für mich Zeit, die Pilzchen mal auszuprobieren. Da hier wirklich jeder den Konsum zumindest toleriert und von Gesetzeshütern weit und breit keine Spur ist, machte ich mir keine Gedanken über die Illegalität (ich möchte aber hier noch einmal daran erinnern, dass Kauf und Verzehr de facto Straftaten sind). Ich setzte mich also raus machte es mir bequem, legte meine in ein Blatt eingewickelten sieben Pilze neben mich, fing mal vorsichtig an und naschte 4 Pilze. Ich empfehle, diese dringend vorher abzuwaschen, da man sonst jede Menge Erde zwischen den Zähnen hat.

Eine Portion Pilze

Bereits nach ca. 15 Minuten merkte ich, wie sich meine Wahrnehmung veränderte und ich mich eins mit der Natur fühlte. Das Beobachten von Tieren und Wolken wurde zum sensationellen Erlebnis und ich fühlte mich wie ein begeistertes kleines Kind, das überall neue und faszinierende Dinge entdeckte. Das Setting in absoluter Abgeschiedenheit und in purer Harmonie mit der Natur gibt einem Sicherheit. Ich genoss den Trip daher ohne jegliche negative Gedanken und war nach circa acht Stunden sanften Rausches wieder ganz normal. Dennoch ist beim Konsum Vorsicht geboten. Ein mexikanisches Pärchen in einer der anderen Cabañas übertrieb es ein wenig und litt etwa eine Stunde an einem Anflug einer Panikattacke. Auch generell hört man von Einheimischen, dass es besonders zu Beginn des Trips bei manchen Menschen zu angstähnlichen Zuständen kommen kann.

Das wahre Spektakel hier sind jedoch nicht die Drogen, sondern die Wolken. Den ganzen Tag über sieht man mal mehr, mal weniger davon. Aber sie sind immer da. Und sie sind immer wunderschön. Wolken unter uns, Wolken über uns, Wolken ganz weit über uns, Wolken direkt vor uns. Dicke und flauschige Schäfchenwolken, bedrohliche, dunkelgraue Regenwolken oder einfach dichter Nebel, der urplötzlich überall ist. Kurzum: Man sieht – nein, erlebt, Wolken in allen nur erdenklichen Formen. Begleitet von bezauberndem Vogelgezwitscher, dem Brummen von seltenen Insekten, Blätterrauschen im Wind und gelegentlichem Regen, der gemächlich niederprasselt, war dies eines der schönsten Naturerlebnisse meines Lebens.

Blick aufs Wolkenmeer

Nachdem also auch Tag zwei mit Nichtstun vorbeigegangen ist, entschlossen wir uns am dritten Tag unseres Aufenthaltes, mal ein Stückchen zu wandern, um die Gegend zu erkunden. So machten wir uns auf schmalen Trampelpfaden im dichten und feuchten Wald auf den Weg nach oben. Etwa alle halbe Stunde begegnet man im Wald jemandem, meist gerade am trippen, mit dem man dann ein paar Wörtchen wechselt. Ansonsten auch hier wieder absolute Stille, abgesehen von den herrlichen Naturgeräuschen. Urplötzlich zogen wieder Wolken über uns herein, wir waren mitten im Nebel. Und dieser war so dicht, dass wir teilweise nicht mal mehr die Baumkronen über uns sehen konnten. Ganz ehrlich, den Herr der Ringe hätte man hier auch drehen können.

Fast wie in Mittelerde

Unser Plan, ganz nach oben zu marschieren, wurde letztendlich vom plötzlichen Regen und unserer unpassenden Kleidung zunichte gemacht. Demnach machten wir uns auf den Rückweg, genossen hervorragendes und sehr günstiges Essen in einem der Restaurants, schürten unseren Kamin an und verließen unsere Cabaña nur noch, um schnell heiße Schokolade to go zu holen.

Am nächsten Tag machten wir uns nach einem letzten hervorragenden Mahl schließlich aus Zeitgründen auf die Weiterreise, auch wenn wir gerne noch länger geblieben wären. Der Weg durch die malerische Landschaft bis nach Júarez de Oaxaca dauert ca. 3 Stunden und vergeht dank der wunderbaren Ausblicke wie im Flug…

    Was denkst du?