Gastbeitrag von Klaus Porst.
Aus einem Kneipenabend heraus resultierte die fixe Idee eines Auslandsausfluges in geselliger Runde. Riga bietet sich dafür in mehrerer Hinsicht an: Es ist schnell und günstig in zwei Stunden zu erreichen (Flüge mit bekannten Discounterlinien ab Berlin für 25 € pro Strecke), es ist noch nicht komplett touristisch überlaufen wie Prag und zudem eine Stadt, die einiges zu bieten hat. Danke der Größe (700.000 Einwohner) und der Ballung der Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt ist sie zudem in 2-3 Tage fußläufig gut zu ergründen.
Riga ist wie Lettland, das merkt man schnell, eine Stadt der Gegensätze. Vielfach ist noch das Erbe der sozialistischen Besatzungszeit zu sehen, was verfallene Straßen und Plätze und die üblichen Plattenbausiedlungen angeht. Andererseits bietet Lettland eine der modernsten Technikinfrastrukturen der EU an, was beim selbstverständlichen, offenen WLAN schon im Taxi oder selbst ältesten Zügen anfängt und dabei aufhört, dass selbst Kleinigkeiten und Centbeträge immer per Karte bezahlt werden.
Schnell wird übrigens auch klar, dass Ende April nicht die beste Zeit für einen Aufenthalt ist. Es ist kalt, um die null bis fünf Grad, es blüht noch nicht und dank der Ostseeluft ist es auch gern mal windig. Ab Ende Mai sollte der ideale Reisezeitraum beginnen.
So wie die Stadt Gegensätzliches darstellt, bietet sich auch dem Besucher ein differenziertes Bild – die entscheidende Frage ist, was man aus einem Aufenthalt macht. Riga ist sowohl bei britischen Männergruppen, als auch bei deutschen Junggesellenabschieden sehr beliebt, die eine Art Prag 2.0 suchen, nachdem man dort vor Pubcrawls, Bierbikes und besoffen grölenden Gruppen kaum noch treten kann. Derartige Gruppen findet man auch in Rigas Gassen, die allerdings weder die erwarteten Rotlichtetablissements, noch billigen Alkoholpreise dafür bieten. Letztere bewegen sich auf deutschem Niveau, Essen gehen kann man dafür leicht unter hiesigen Preis.
Gehobene Mittelklasserestaurants liegen bei rund 25 € für ein 3-Gänge-Menü (exkl. Getränke). Vorreservieren ist notwendig, da selbst Ende April bei kaum Touristen jeden Abend sämtliche Lokale, in die wir spontan gingen, restlos besetzt waren. Zudem möchten sich einige Restaurants davor schützen, von angetrunkenen Gruppen angesteuert zu werden, die dem Niveau des Ortes nicht gerecht werden und lehnen daher Spontanbesuche berechtigterweise ab.
Die genannten Gruppen verweist man lieber in die vielfach vorhandenen Touristenfallen. Beispiele hierfür sind die Gaststätten in den alten Schwedenlagerhäusern, die halbgare Fischplatten zu vollgaren Preisen servieren oder auch die gern mal in Empfehlungsportalen auftauchenden Mittelalterlocations. Man kann sowas machen, das Resultat ist aber in Riga, wie überall anders gleich: Fettiges, das gern die mangelnde Qualität durch fleischliche Quantität auszugleichen versucht. Dies gilt auch für die Burger in sogenannten „Rockcafés“. Man kann dort hingehen, um zu trinken, essen sollte man jedoch woanders.
Für schräge Momente in diesem Ambiente sei die „HHC Bar“ empfohlen – ein kleiner Laden mit wechselnden DJ’s, die gleichzeitig Türsteher sind und via Spotify jeden Wunsch erfüllen und ansonsten versuchen, mit Lautstärke fehlendes Talent im Mixing ausgleichen. Verbrüderungsvodka mit einheimischen Letten inklusive. Einen guten Eindruck hinterließ auch der Liveclub „Trompete“ in der gleichen Straße (Peldu Iela) und das Kaņepes Kultūras Centrs in der Skola Iela – eine Mischung aus Studentenclub, besetztem Haus, Kulturzentrum und natürlich Bar.
Wo man stattdessen (lettisch) essen gehen sollte: Herausragend war in gediegenem Ambiente das „Melnie Muki“ (Hauptgerichte im Schnitt 10-15 €, dafür sehr teure Getränke). Sehr gut noch das „Province“, hierbei sind vor allem die Suppen zu nennen, die in einem essbaren Brotgefäß serviert werden (um die 6-7 Euro). Zum schnell und günstig in Landesküche satt werden bietet sich „Pelmeni XL“ an, in dem es – Überraschung – Pelmeni (Teigtaschen) in verschiedensten Variationen gibt, die nach Gewicht bezahlt werden. Es hat etwas kantinenhaftes, ist aber unschlagbar im Preis (Suppen unter 2 €, große Portion Pelmeni um die 3 €).
Erste Sehenswürdigkeitenstation eines Rigabesuches sollte das Schwarzhäupterhaus sein. Zum einen handelt es sich dabei um einen eindrucksvollen, rekonstruierten Bau, zum anderen sitzt dort die Touri-Info, welche mit den üblichen Stadtplänen etc. aufwartet. Absolute Highlights der Stadt sind generell die verwinkelten Gassen rund um die vielen Plätze in der Innenstadt, die zum Schlendern und Verlaufen einladen, das Jugendstilviertel und die orthodoxe Christi-Geburt-Kathedrale im Park Esplanade.
Insbesondere das Jugendstilmuseum in der Alberta Iela ist wundervoll. Dort wird nicht nur eine original eingerichtete Jugendstilwohnung der 1920er gezeigt, sondern ein lebendiges Museum geschaffen. Sämtliche Mitarbeiter tragen zeitgenössische Kleidung und flanieren herum, spielen Klavier, lesen Bücher, und unterhalten die Gäste.
Sehenswert ist zudem die Rigaer Börse samt Kunstausstellung (Malerei 16.-19. Jahrhundert) und einige architektonische Bauten – die drei Brüderhäuser, das kleine und große Gildehaus und die Schwedenlager. Als Caféempfehlung sei hier das „Parunasim“ gegenüber der Brüderhäuser genannt, ein „Romantikcafé“ mit gemütlicher, stilvoller Atmosphäre (Kaffee um die 3 €, Kuchen um die 4 €).
Einen Überblick über die Stadt kann man entweder tagsüber von der St. Petrikirche (9 €) oder vom Hochhaus der Wissenschaftsakademie (5 €) bekommen, alternativ bietet nachts das der Hotelturm Radisson Blu mit einer Dachgeschossbar (5 €) eine gute Aussicht.
Ziemliche Enttäuschungen waren – hier mag der Zeitpunkt der Reise eine Rolle gespielt haben – das schick hergerichtete, aber völlig leere Speicherviertel. Kein Geschäft offen, kein Mensch weit und breit im kreativen Kulturstandort. Gleiches galt für den Bergs-Basar, hier waren lediglich wenige Geschäfte offen und die „Fußgängeroase“ bot ein eher trostloses Bild.
Der Besuch des Domes ist auch eher etwas für speziell Interessierte. In den Kreuzgängen sammelt sich verrostetes Gerümpel und der Dom selbst ist nicht sehr reichhaltig ausgestattet. Ein typischer Fall von unpassender Nutzung ist das Mentzendorffhaus. Hierbei handelt es sich um eine originalgetreue Einrichtung einer Kaufmannsvilla aus dem 19. Jahrhundert. Insbesondere die Wandmalereien und Möbel sind sehr lohnenswert. Dass man allerdings in dieses Korsett Ausstellungen moderner Kunst, die in etwa das Niveau einer Vorzimmerdekoration von Kreissparkassen haben zwängt, nimmt diesem Ort jeglichen Glanz. Eine Verbindung traditioneller Elemente im Kontrast moderner Konzepte mag seinen Reiz haben, hierbei wird jedoch ohne Sinn, Verstand und Rücksicht eine miserable Liaison eingegangen.
Lohnenswert ist ein Ausflug nach Jurmala. Vom Hauptbahnhof fährt alle halbe Stunde ein Regionalzug (1,40 € pro Strecke) in den Ort, an dem ein kilometerlanger Ostseesandstrand wartet. Darüber hinaus findet man entlang der Strecke mehrere tausend Holzhäuser und -Villen, die einen Einblick in klassisch ländliche baltische Architektur geben. Hier trieb uns Regen und Hunger ins „Uzbekistana“, welches eben uzbekische Küche (viel Lamm, Kalb, Huhn-Gerichte) zu einem moderaten Preisniveau bietet.
Wie im Baltikum, beziehungsweise Ostseeraum üblich, gibt es an jeder Straßenecke Bernstein-Accessoires zu erwerben. Ob Ketten, Ringe, Bilder, Magneten oder Weihnachtsbaumkugeln, hier sind den Verarbeitungen keine Grenzen gesetzt. Etwas aufpassen sollte man bei textilen Mitbringseln. Die mit nordischen Motiven verzierten Schals, Mützen etc. bieten eine breite Auswahl an Symbolik und Motiven, die in Lettland zu finden sind, darunter allerdings auch Hakenkreuze. Eine weitere Spezialität ist der Beerenschnaps „Black Balsam“, welcher den Körper und insbesondere die Leber dank vieler Prozente von innen wärmt.