Stepantsminda (vielen auch als Kazbegi bekannt) ist wegen seiner atemberaubenden Lage in den Bergen eines der beliebtesten Ausflugsziele Georgiens. Im Winter liegt das Dörfchen im Dornröschenschlaf und versprüht damit einen gemütlichen Charme fernab vom Touristentrubel. Allerdings sollte man Acht geben, dass das Wetter mitspielt – bei ungünstiger Wetterlage kann es dort oben schnell ungemütlich werden…
Der Weg nach Stepantsminda über die Georgische Heerstraße ist bereits das erste Highlight: Über zahlreiche Serpentinen schraubt sie sich bis auf 1740 Meter Höhe, bis vor die Tore des Kaukasus. Die kalten Dezemberstürme, heftige Schneewehen und trübe Sicht sorgen dafür, dass einige Streckenabschnitte nur mit äußerster Vorsicht zu passieren sind. Für unseren georgischen Minibusfahrer stellt das alles kein Hindernis dar. Er ist geübt, bestreitet den Weg mehrmals täglich und bringt uns nach drei aufregenden Fahrtstunden sicher ans Ziel.
Kurz nach unserer Ankunft stellen wir fest, dass in Stepantsminda nicht viel los ist. Normalerweise ist das Dorf nahe der russischen Grenze ein idealer Ausgangspunkt für Winter- und Sommeraktivitäten. Wir scheinen aber in einem schwarzen Loch zwischen den Stoßzeiten gelandet zu sein: Die Skisaison lässt noch zwei Wochen auf sich warten und zum Wandern ist es eigentlich viel zu kalt und ungemütlich. Wenigstens finden wir so problemlos eine günstige Unterkunft.
Der Großteil der restlichen Gästehäuser und Hotels scheint verlassen, in den Cafés und Restaurants – sollten sie überhaupt offen sein – sitzt keine Menschenseele. Auch auf den Straßen ist kaum etwas los. Ab und an fahren ein paar Autos vorbei, jedoch sind diese entweder auf dem Weg zur Grenze, oder nach Süden, in Richtung Tblisi, unterwegs. Lediglich ein paar Hunde tollen im Schnee herum und ärgern die Kühe, die auf ihre sympathisch-verplante Art der Kälte trotzen.
Wir versuchen es den Vierbeinern gleichzumachen und stapfen unbeirrt von Frost und Schnee durch das Dorf. Schließlich haben wir uns vorgenommen, die Top-Sehenswürdigkeit (glaubt man Tripadvisor) des Landes anschauen: Die Kirche der heiligen Dreifaltigkeit, beliebtes Ziel für Wanderer aus der ganzen Welt. Selbst im Sommer sind die Bergkuppen in ihrer Umgebung vom Schnee bedeckt. Wie der Weg dorthin im Winter aussieht, darüber haben wir uns bis heute gar keine Gedanken gemacht. Ein Blick auf den verschneiten Berg lässt erahnen, dass uns eine anstrengende Wanderung bevorsteht. Durchziehen wollen wir unseren Plan trotzdem. Ein Dorfbewohner wünscht uns auf den ersten Metern nach oben viel Glück.
Über die ersten 500 Meter sinken wir bei fast jedem Schritt bis zum Knie im Tiefschnee ein. An eine Umkehr ist trotzdem nicht mehr zu denken. Sicher ist hier, unter der dicken Schneedecke, irgendwo der Pfad – zumindest besagen das die Informationen aus dem Reiseführer. Dass es keine Fußspuren gibt, beirrt uns nicht, schließlich sind Schneewehen in dieser Höhenlage keine Seltenheit. Aussichten hinunter ins Tal und zu Wachtürmen längst vergessener Zeiten entschädigen uns für die Strapazen. Nach einer guten halben Stunde zeichnet sich dann auch tatsächlich so etwas wie ein Wanderpfad ab.
Nach zwei weiteren frostigen Stunden des Aufstiegs ist die Kirche in Sichtweite. Auf dem Gipfel angekommen, sehen wir die ersten Reisenden seit längerer Zeit: Es sind zwei Tschechen, die ausgerechnet hier, mitten im schneidenden Wind der Hochebene, ihr Zelt aufgeschlagen haben. Und wir dachten schon, unser Plan sei waghalsig. Auf der anderen Seite ist es sehr beruhigend zu wissen, dass wir nicht die Einzigen sind, die auf 2000 Höhenmetern im Schnee herumstapfen.
Die Dreifaltigkeitskirche thront einsam und verlassen vor der dramatischen Bergkulisse. Abgesehen davon ist die Szenerie nicht gerade von Leben erfüllt: Der winzige Laden nebenan, in dem es christliche Reliquien zu kaufen gibt, ist verschlossen und zugeschneit, genau wie die Türen zum Anbau der Kirche. Im Inneren des Hauptgebäudes herrscht absolute und ungewohnte Stille. Endlich bekommen wir die Möglichkeit, uns ein wenig am Kerzenlicht zu wärmen. Erst als sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehen wir, dass uns ein grimmig dreinblickender Mönch aus der Ecke heraus beobachtet. Anscheinend ist er genau so überrascht wie wir, auf andere Menschen zu treffen.
Da es schnell dunkel wird, wollen wir es uns einfach machen und für den Rückweg die Straße nehmen, die in Serpentinen nach unten führt. Laut Karte eine praktische und schnelle Alternative. Tatsächlich sehen wir nicht einmal den Ansatz einer Straße. Also entscheiden wir uns dafür, den selben Weg wieder zurückzugehen. Unspannend, aber immerhin sicher. Zumal es allerhöchste Zeit ist, da sich mittlerweile ein Schneesturm zusammengebraut hat, der bereits jetzt unsere Spuren vom Hinweg verweht hat.
Die nächsten Tage sind vom Warten bestimmt. So gut wir geplant haben, nach Stepanzminda zu kommen, so fahrlässig haben wir uns um die Rückfahrt gekümmert. In der Nacht nach der Wanderung ist so viel Schnee gefallen, dass der berüchtigte Jvari-Pass nicht passiert werden kann. So bleibt uns nichts anderes übrig, als mit einigen trink- und redseligen Dorfbewohnern und einer Handvoll Touristen zu warten, bis es die offizielle Entwarnung gibt. Nach ca. 36 Stunden ist es dann soweit und wir können eine halsbrecherische Rückfahrt durch die weißeste Gebirgslandschaft, die ich je gesehen habe, antreten. Gott sei Dank sind auch dieses Mal die Fahrer kompetent und bringen uns heil ans Ziel. Vom Schnee haben wir aber erst einmal genug.
Im Grunde genommen ist die Strecke von Tbilisi nach Stepantsminda (სტეფანწმინდა) ein Katzensprung. Da sich die meisten der 150 Kilometer jedoch durch das Hochgebirge schlängeln, kann die Fahrt auch mal drei Stunden oder mehr dauern. Vom zentralen Verkehrsknotenpunkt Didube (დიდუბე) in Tbilisi fahren stündlich Busse, dessen Busfahrer aktiv Fahrgäste anwerben. In den meisten Fahrzeugen hängen die Ziele direkt in der Fensterscheibe aus. Dadurch findet man immer schnell ein Transportmittel gen Norden – vorausgesetzt natürlich, der Jvari-Pass ist geöffnet. Über die Wetter- und Verkehrslage informiert man sich am besten im Voraus mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms auf der offiziellen Seite der Verkehrsbehörde.
Pro Person sollte man nicht mehr als 10 Lari (rund 3.40 Euro) für die Fahrt bezahlen. Feilschen ist nicht notwendig. Entweder man holt sich die Tickets am Schalter des Busbahnhofs in Didube oder man bezahlt direkt beim Fahrer. Sowohl „Stepantsminda“ als auch „Kazbegi“ werden verstanden.
Einen Bericht über Georgiens Hauptstadt Tiflis findet man übrigens hier: Eine Reise in das Herz von Georgien
Mehr Fotos aus Georgien gibt es in der Bilderstrecke zu sehen.
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