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Fünf gute Gründe für’s Glastonbury Festival

Normalerweise trage ich ja ungerne dick auf – aber manchmal geht es einfach nicht anders: Hier sind fünf Gründe, warum das Glastonbury Festival weltklasse ist.

Puh, wo soll ich bloß anfangen?

1. Das Gelände

Wir schreiben das Jahr 1970, als der Milchbauer Michael Eavis auf die Idee kam, ein neues Woodstock auf seiner Farm im Südwesten Englands zu eröffnen. Gesagt getan. Das erste Glastonbury Festival wurde geboren, damals noch unter dem Namen Pilton Pop, Blues & Folk Festival. Eintritt 1 Pfund, die Milch gab es inklusive.

In der Zwischenzeit hat sich nicht nur der Name des Festivals geändert: Milch von den farmeigenen Kühen gibt es zwar immer noch zu erwerben, aber auf dem hügeligen Gelände tummeln sich mittlerweile weit über 200.000 Menschen.

Der Südhang im Sonnenuntergang.

Die immense Anzahl von Gästen bekommt man jedoch nur selten mit, denn die Farm ist von enormen Ausmaßen. Von Hügeln in allen Himmelsrichtungen umgeben, bietet sie Platz für über 70 Bühnen, unzählige Bars und natürlich Zelte, in denen der geneigte Besucher versucht, Energie aufzutanken. Zahlreiche Grünflächen und Bäume spenden indes Schatten und Ruhe; Beton und Asphalt sucht man hier vergebens.

Bei dieser Fläche, die in etwa mit Berlin-Friedrichshain (siehe Map-Overlay) zu vergleichen ist, braucht man also gar nicht erst zu versuchen, alles zu entdecken. Man wird es eh nicht schaffen. Auch wenn ich in den insgesamt fünf Tagen auf der Farm insgesamt rund 120 Kilometer mit wachem Blick durch die Gegend marschiert bin, habe ich vielleicht zwei Drittel der Spielstätten erlebt.

2. Das Line Up

Na klar, ein Musik-Festival besucht man vordergründig der Bands wegen. Viele Acts sehen es mittlerweile als Ritterschlag an, auf dem Glastonbury zu spielen. Von den Rolling Stones bis U2, von Johnny Cash bis Lady Gaga – das Glastonbury Festival hatte sie alle. In diesem Jahr gesellten sich zu den Headlinern The Cure, Stormzy und den Killers hunderte weitere Gäste aus allen Ecken der Musikwelt. Die Spanne reicht von den Big Beat-Pionieren Chemical Brothers und Fatboy Slim, über dem Punkrock-Hype der Stunde IDLES bis hin zu Jazz, der von Acts wie The Comet is Coming oder Jeff Goldblum und dem Mildred Snitzer Orchester repräsentiert wird.

Lasergewitter bei Tame Impala.

Tagsüber gibt es auf den großen Bühnen familienfreundliche Beschallung aus dem Hause Sheryl Crow, Kylie Minogue oder Miley Cyrus, während nachts im South East Corner zu Drum and Bass von Goldie oder Techno von Monika Kruse gestampft wird. Einzelne Highlights herauszupicken ist bei einem Programm, das bereits um 11 Uhr morgens beginnt und weit nach Sonnenaufgang endet, unmöglich. So viel steht jedoch fest: Wer auch nur ansatzweise etwas mit Musik anfangen kann, wird beim Glastonbury Festival definitiv auf seine Kosten kommen.

3. Das Rahmenprogramm

In den letzten Jahren hat sich immer mehr etabliert, auch abseits vom musikalischen Programm die Besucher zu bespaßen. Yoga, Talkrunden oder Artistik gehören auf kleinen Festivals hierzulande mittlerweile genau so zum guten Ton wie ein Riesenrad auf den großen Kalibern wie Hurricane oder Rock am Ring.

Auch auf dem Glastonbury gibt es zahlreiche Programmpunkte zu erleben, auf die man nur stößt, wenn man sich treiben lässt. Vom Volksfestcharakter der hiesigen Major-Festivals ist das Glastonbury Festival jedoch meilenweit entfernt – zum Glück. Vielmehr wird das Programm hier durch Kino, Theater, Feuer-Artistik, politische Infoveranstaltungen, spiritueller Reinigung oder Roboter-Bands ergänzt. Expect Everything!

Feuertänzer bei der Eröffnungszeremonie.

Das Eröffnungsfeuerwerk am Mittwochabend ist eines dieser Events, von denen irgendwie alle Bescheid wissen. Dementsprechend zieht es Scharen von Besuchern auf den Südhang. Ansonsten gilt die magische Festivalgrundregel auf dem Glastonbury mehr noch als auf anderen Festivals: Je weniger man plant, desto mehr Spaß hat man.

4. Das Publikum und die Stimmung

Die Mischung der ersten drei Faktoren macht letztendlich aus, dass man an jeder Ecke freundliche Gesichter und offene Menschen sieht. Jeder hat seine eigenen Geheimtipps, die er gern mit anderen teilt, jeder hilft den anderen, wenn man sich mal wieder verlaufen hat. Das Festival ist für ausnahmslos alle da und alle sind eins – und sei es auch nur für diesen einen kurzen Zeitraum.

Wehende Fahnen soweit das Auge reicht.

Dieser Aspekt unterscheidet das Glastonbury Festival deutlich von den meisten anderen Festivals hierzulande, die sich stets an bestimmte Zielgruppen orientieren: Auf dem Glastonbury ist jeder von 0 bis 99 willkommen, ganz gleich, welchen Background man hat. Egal, ob der kleine Timmy auf den Schultern seines Vatis seine ersten tripähnlichen Erfahrungen bei den Visuals von Chemical Brothers macht; die zugedröhnten Raver mitten der Nacht mit den Cops tanzen, oder der 80-jährige Großvater am Steinkreis auf den Sonnenaufgang wartet. Selbst den publikumserfahrensten Stars kann dieses Zusammengehörigkeitsgefühl Tränen von Glück und Überwältigung entlocken, wie es an diesem Wochenende des Öfteren zu sehen ist.

5. Die Philosophie

LOVE THE FARM, LEAVE NO TRACE prangt in großen Buchstaben an vielen Bühnen, Bars und Klos. Das Glastonbury gehört zu den grünsten Festivals weltweit und wird nicht müde, seine Position deutlich nach außen zu tragen. Mit Erfolg: Über 99 Prozent der Zelte wurden in diesem Jahr wieder mitgenommen. Eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, wie viele andere Festivals noch immer Wiesen voller verwaister Zelte zurücklassen.

Seit diesem Jahr wird zudem auf dem gesamten Gelände nichts mehr in Plastikbehältern verkauft. Die meiste Plastik, die man hier findet, wurde kreativ zu Kunstwerken weiterverarbeitet oder gar für ganze Bühnenaufbauten verwendet. Da liegt es nahe, dass Greenpeace zu den wichtigsten Partnern des Festivals gehört und sogar ein eigenes Bühnenareal spendiert bekommen hat, auf dem über den derzeitigen ökologischen Zustand der Welt informiert wird. Feiern mit Tiefgang, Konsumieren mit Bewusstsein – das ist beim Glastonbury Festival an der Tages- und Nachtordnung.

Grüne Lunge.
Baumhaus-DJ-Kanzel auf dem Greenpeace-Areal.

Man kann an dieser Stelle noch so viel mehr anbringen: Sei es das fantastische, zum großen Teil vegetarische Essen, die Abwesenheit von Firmensponsoring oder die vielen kleinen Geheimauftritte, die sich nur über Mundpropaganda herumsprechen. Es wird sicherlich noch einige Glastonburys benötigen, bis ich selbst die Tragweite von dem erfasst habe, das sich hier für fünf magische Tage abspielt. Nun habe ich knapp ein Jahr Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Bis es dann im Jahr 2020 sein 50-jähriges Jubiläum feiert.

In Kürze wird an dieser Stelle noch eine Fotostrecke zum Glastonbury Festival folgen.

Konfettiregen vor der Other Stage.

 

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