„Lohnt sich El Salvador überhaupt?“ – Das fragen sich wohl beinahe alle, die durch Mittelamerika reisen. Die meisten durchqueren das Land dann binnen kürzester Zeit, ohne nach rechts und links zu blicken. Dabei hat El Salvador durchaus schöne Ecken – wenn man denn an den richtigen Stellen die Augen offen hält.
Guatemala? Abgehakt. Auf meiner Route durch Mittelamerika folgt mit El Salvador ein Land, um das viele Reisende einen Bogen machen. Wenn ich aber schon mal hier bin, will ich auch erfahren, was im „Däumling Lateinamerika“ so los ist. Da das Land nicht viel größer als Hessen ist, schätze ich einen einwöchigen Aufenthalt als angemessen ein.
Von Antigua schaffe ich es dank eines hilfreichen Blogeintrages, für rund zehn Euro in die Hauptstadt San Salvador zu kommen – Grenzübergang zu Fuß inklusive. Nach rund acht Stunden Fahrt und vier Mal umsteigen erreiche ich pünktlich zur Dämmerung mein Hostel. Sicherheitshalber meide ich am ersten Abend die Dunkelheit. Man weiß ja nie – schließlich befinde ich mich in der Stadt mit einer der höchsten Mordraten der Welt. Trotzdem möchte ich zumindest für zwei Tage schauen, wie es um San Salvador so bestellt ist.
San Salvador: Fast Food und Baustellen, wohin man sieht
Mein Hostel ist in einer wohlhabenden Gegend im Westen der Stadt gelegen. Und wohlhabende Gegend bedeutet hier: Fastfood-Restaurants reihen sich an riesige Einkaufszentren. Kilometerweit. Später erfahre ich, es sei eine beliebte Beschäftigung für die Hauptstädter, in diesen Konsum- und Fresstempeln die Freizeit zu verbringen. Während ich erstaunt bin, wie viele verschiedene Fastfood-Ketten es gibt, hoffe ich inständig, dass das Straßenbild im historischen Zentrum abwechslungsreicher ausfällt.
Wie in Guatemala bestimmen umgebaute Bluebird-Schulbusse den Nah- und Fernverkehr von El Salvador. Also steige ich in den erstbesten Bus und tuckere in Richtung Zentrum. Groß ist die Stadt nicht, mit rund 1.1 Millionen Einwohner reicht es trotzdem für einen vorderen Platz, wenn es um die bevölkerungsreichsten Städte in Zentralamerika geht.
Es ist Markttag. Die Straßen sind brechend voll mit geschäftigen Menschen, die alles mögliche verkaufen, zumeist Technik, Nahrung und Textilien. Unterbrochen wird die Szenerie von einer Vielzahl von lärmenden Baustellen. Positiv gedacht könnte die Stadt in ein paar Monaten oder Jahren richtig schön werden. Aktuell gibt es hier aber nur wenige Anzeichen. Entnervt suche ich nach schönen Ecken, werde jedoch selbst nach stundenlangem Wandern nicht fündig. Einzig die Kathedrale von San Salvador ist ein Lichtblick im sonst eher tristen Stadtbild.
Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt ist die Kirche El Rosario. Prächtige Bilder im Internet versprechen leuchtende Fenster, die das Innere des Gebäudes in allen Farben des Regenbogens erstrahlen lassen. Doch in der Wirklichkeit steht dort, direkt an einer weiteren Großbaustelle, ein recht heruntergekommenes Konstrukt, dessen dunkle Fenster nur einen Ansatz von etwas Farbe erkennen lassen. Vielleicht steht die Sonne ungünstig, denke ich mir noch. Vielleicht bin ich einfach nur zur falschen Zeit gekommen.
Ja, vielleicht habe ich die gesamte Stadt einfach auf dem falschen Fuß erwischt. Es gibt keinen Funken, der überspringen möchte: San Salvador bleibt auch am zweiten Tag ein weitläufiger, grauer und stressiger Moloch. Zu sehr wurde das Stadtbild in den letzten Jahrzehnten durch Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen. Da wundert es mich dann auch nicht mehr, dass die Einwohner nicht unbedingt die größten Frohnaturen sind.
Es ist wohl das erste Mal auf dieser Reise, dass ich mich freue, eine Stadt zu verlassen. Das nächste Ziel, die kleine Stadt Suchitoto, ist glücklicherweise kaum 50 Kilometer entfernt.
Suchitoto: Der krasse Gegensatz zu San Salvador
Nach weniger als zwei Stunden Fahrt erreiche ich Suchitoto. Was für eine Offenbarung! Diese freundliche und bunte Stadt ist ein krasser Gegensatz zu San Salvador und kommt mir wie ein kleiner Bruder von San Cristobal de las Casas vor. Suchitoto ist die Kulturhauptstadt des Landes und mit ihrer entspannten Atmosphäre genau das richtige nach dieser eher unangenehmen Großstadterfahrung. Obwohl (oder gerade weil) wegen der Nebensaison nicht viel los ist, lässt es sich die geplanten beiden Tage mehr als gut aushalten. Obwohl es manchmal ein seltsames Gefühl ist, der einzige Reisende im Hostel und augenscheinlich sogar in der ganzen Stadt zu sein.
Nebensaison bedeutet Regenzeit, und davon gibt es in diesen Tagen reichlich. Doch selbst das ungemütlichste Wetter kann dem kleinen Städtchen nicht seinen Charme nehmen. Fischer schippern unbeirrt den Fluss im Norden der Stadt entlang, während die Bewohner der umliegenden Siedlungen vom Ufer aus den einen oder anderen Fang an Land ziehen oder einfach nur das herannahende Unwetter beobachten. Wenn mein Zeitplan in diesen Wochen nicht so eng gesteckt wäre, würde ich noch mindestens zwei weitere Tage hier bleiben.
La Palma: Kunst an der Grenze
La Palma befindet sich nur wenige Kilometer vor der nördlichen Landesgrenze und ist mein letztes Ziel in El Salvador. Bekannt ist die kleine Stadt vor allen Dingen für ihre Farbenfreude: Hauswände, Laternen, Schilder, Zäune – alles haben die Bewohner liebevoll mit großen und kleinen Malereien verziert. Seit den 1970er Jahren ist diese naive Kunst ein Markenzeichen des Landes. Rund drei Viertel der Bevölkerung von La Palma verdienen hier durch Malerei und Handwerkskunst ihre Brötchen; viele davon erlauben einen direkten Einblick in ihre Arbeitsumgebung.
Wie schon in Suchitoto fallen mir auch in La Palma keine weiteren Reisenden auf. Erneut wohne ich als einziger im Hostel. Das Gefühl ist noch immer etwas ungewohnt – besonders, wenn ich an die touristischen Hot Spots in Guatemala zurückdenke.
Und trotzdem fühle ich mich auch hier pudelwohl: Durch die Lage in den Bergen weht immer ein angenehm kühles Lüftchen auf den Straßen, auf dem belebten Plaza gibt es salvadorianische Spezialitäten zu probieren und die Wanderwege abseits der Stadt locken mich auf saftig grüne Hügel. Auch der Cerro El Pital, mit 2370 Metern höchster Berg in El Salvador, befindet sich in unmittelbarer Umgebung. Obwohl die Besteigung recht einfach sein soll, entscheide ich mich dagegen – die Zeit spielt noch immer gegen mich und in wenigen Tagen möchte ich schon im Norden von Honduras sein.
El Salvador: Hier geht einiges!
Mein Fazit zu El Salvador fällt überraschend positiv aus: Sieht man von der gruseligen Hauptstadt ab, gibt es in diesem kleinen Land reichlich zu entdecken. So sind alleine Suchitoto und La Palma definitiv einen längeren Aufenthalt wert. Wanderwege, Seen und Berge laden zum erkunden ein und geben das Gefühl, nicht auf ausgetretenen Pfaden unterwegs zu sein. Zudem gibt es im Süden des Landes wundervolle Strände mit besten Surfbedingungen, während unweit der Hauptstadt ein Vulkan auf seine Besteigung wartet. Hätte ich die Zeit gehabt, hätte ich das Land mit Freude weiter erforscht.
Wer etwas Zeit übrig hat, sollte sich El Salvador unbedingt zu Gemüte führen. Die Wege sind kurz und Busverbindungen sind reichlich vorhanden, sodass es eine Freude ist, in Rekordzeit von Stadt zu Stadt zu düsen. Ein erhöhtes Sicherheitsbewusstsein kann aber nicht scheiden, denn bei aller Schwärmerei sollte man nicht vergessen, dass es in manchen Gegenden des Landes etwas rauer zugeht. Meiner Erfahrung nach ist El Salvador jedoch herrlich unaufgeregt – zumindest abseits der Hauptstadt.
Es gibt sie also noch, die spannenden und schönen Orte abseits der Touristenströme.
Tolle Bilder und ähnelt unserer Erfahrung mit Nicaragua!