Jedes Jahr die gleiche Misere: Bei einer solch hohen Dichte an tollen Konzerten auf dem Reeperbahn Festival 2018 ist es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, die besten herauszupicken. Trotzdem habe ich mich wie im letzten Jahr auch dieses Mal wieder dran versucht.
Jungle (Mittwoch, Docks). Jungle sind weder Neuentdeckung noch Newcomer. Bereits 2014 sorgten sie mit ihrem Debüt für Furore und in diesem Jahr erschien der heiß ersehnte Nachfolger. Dementsprechend bin ich höchst gespannt auf den Gig im prall gefüllten Docks. Doch so ganz kann die Band die hohen Erwartungen nicht erfüllen: Dem entspannt-groovigen 70s-Soul geht nach rund 40 Minuten die Puste aus und mir fällt es mit der Zeit immer schwerer, die Songs auseinanderzuhalten. Trotzdem behalte ich das Konzert als gut gelaunten, tanzbaren Start in das Reeperbahn Festival 2018 in Erinnerung.
HOPE (Donnerstag, Sommersalon). Am Donnerstag wird es spürbar voller in sämtlichen Locations. Das bekommen wir bereits am frühen Abend mit, als die Berliner Band HOPE den Sommersalon mit ihrem eklektischen Postrock-Sound durchflutet. Unfassbar souveräner Auftritt einer noch relativ unbekannten Band, dessen Siegeszug in einer gerechten Welt spätestens jetzt vorprogrammiert ist.
Parcels (Freitag, Große Freiheit 36). Apropos Siegeszug – dieser hier ist nicht mehr aufzuhalten. Bei den Parcels habe ich mich vor rund einem Jahr im ausverkauften Uebel & Gefährlich gewundert, wie sie es mit nur ein paar EPs zu solcher Bekanntheit bringen konnten. Die Antwort: Überragend gute Bandchemie, unglaublich viel Spaß auf der Bühne und sommerliche Melodien zwischen Beatles und Beach Boys. Auf dem Reeperbahn Festival 2018 spielen sie mit ihrem ersten Album im Gepäck in einer der größten Locations. Und es steht ihnen extrem gut. Immer wieder eine Freude, diese Band zu erleben.
Pip Blom (Donnerstag, Prinzenbar). Zurück zu den kleineren Hoffnungsträgern! Dass sich in unseren Nachbarländern in letzter Zeit viele spannende Bands formiert haben, ist kein Geheimnis. Die Niederländer von Pip Blom gehören definitiv dazu, fliegen jedoch noch etwas unterhalb des Radars. Man muss noch nicht einmal die Songs dieser jungen Band kennen, um von ihrer Energie komplett mitgerissen zu werden. Die Vorfreude auf ihr erstes Album ist riesig.
Okkervil River (Freitag, Michel). Bei diesem Konzert ist eigentlich die Location der Star, denn Konzerte im Wahrzeichen von Hamburg hat man nicht alle Tage. Und im Ernst, wann besucht man denn schon sonst mal den Michel? Okkervil River ist für mich aber mehr als nur Mittel zum Zweck, da ich die ersten Alben liebe. In den letzten Jahren haben wir uns jedoch etwas auseinandergelebt, sodass es etwas schade ist, dass sie an diesem Abend zumeist neueres Material spielen. Eindrucksvoll ist das Konzert es bei dieser hinreißenden Akustik und Kulisse aber allemal.
Vizediktator (Freitag, Gruenspan). Kommen wir zu den lauteren Tönen: Bereits auf dem lunatic Festival durfte ich die Energiebolzen von Vizediktator zum Beginn der Festivalsaison erleben. Nun, am Ende der Saison, bekomme ich erneut die Chance und werde nicht enttäuscht: Endlich wieder unprätentiöser, direkter Deutschpunk auf die Ohren. Und die Energie ist noch immer ungebrochen.
Noga Erez (Freitag, Gruenspan). Diese Frau hat es einfach drauf: Egal ob im stickig heißen Zelt vom Appletree Garden Festival, auf der großen Open Air-Bühne vom Fusion Festival, oder, wie hier, als letzter Act in einer der größten Locations… Noga Erez zieht mit ihrer hypnotischen Performance alle in ihren Bann. Nachdem sie sich in dieser Saison auf etlichen Festivals unterschiedlichster Ausrichtung die Ehre gegeben hat, bleibt nur zu hoffen, dass mit ihrem zweiten Album der große Durchbruch kommt. Fingers crossed!
Metronomy (Samstag, Große Freiheit 36). Obwohl wir nach drei vollgepackten Festivaltagen ziemlich am Ende waren, wartet mit Metronomy am Samstagabend noch eine Band auf uns, die ganz sicher keine Neuentdeckung ist. Dementsprechend lang ist auch die Schlange vor dem Club. Wer das Glück hatte, hineinzukommen, wurde mit einem Querschnitt des zwölfjährigen Schaffens einer bestens aufgelegten Band belohnt. Für solche Überraschungen im Booking liebe ich das Reeperbahn Festival 2018.