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Berlin Festival 2012

Zuerst veröffentlicht im September 2012 auf motor.de.


Zelt und Schlafsack verschwinden im Keller, die Festivalsaison neigt sich dem Ende zu. Glücklicherweise gibt es noch das Berlin Festival, das den Übergang zur Konzertsaison markiert. Nachdem 2011 aus den organisatorischen Fehlern des Vorjahres gelernt wurde, durfte man gespannt sein, was die Besucher nun erwartet. Fest stand im voraus schon eins: Das Line-up gehört wohl zum dicksten, was bisher aufgefahren wurde. Dann muss ja nur noch das Drumherum stimmen.

Bevor es losgehen kann, heißt es Geduld bewahren: Die Gästelisten sind lediglich online einsehbar und das Internet im Pressezelt ist ausgefallen. Während wir uns also außerhalb des Geländes die Beine in den Bauch stehen, wünschen wir uns die gute alte Zettel-und-Stift-Zeit zurück. Nach einer Stunde ist alles wieder im Lot. Der erste Act, das Brandt Brauer Frick Ensemble, ist uns durch die Lappen gegangen. Dafür begrüßt uns vor der Hauptbühne der hippieske Folk von Of Monsters and Men. Die ersten Seifenblasen steigen gen Himmel, als sich die Stimmen von Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Ragnar Þórhallsson in die Gehörgänge des Publikums schmeicheln.

Nach dem Gig bleibt ein wenig Zeit, um das Gelände zu erkunden. Erstaunlich ist die zu diesem Zeitpunkt noch sehr geringe Hipster-Dichte – vielmehr erinnern uns die Menschen an Messebesucher. Sind Bandshirts eigentlich gar nicht mehr en vogue?

Die Sonne steht tief und die Massen bewegen sich zur Zippo Encore Stage, um Grimes zu sehen. In diesem Jahr mit ihrem Debütalbum groß herausgekommen, weiß sie auch live mit vertrackten Beats und hypnotisch-lasziven Gestus zu begeistern. Begleitet wird sie dabei von einem scheinbar mechanischen Percussionisten und einem Tanzensemble samt Glowsticks. Alles in allem ein sehr unterhaltsames Set, das das Publikum entsprechend feiert.

Grimes live auf dem Berlin Festival 2012
Grimes

Danach kam der Moment, auf den viele Festivalbesucher gewartet haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit beehren uns Sigur Rós wieder in Deutschland. Wer sie kennt, weiß, was einen da gleich auf der Hauptbühne erwartet. Sphärische Soundteppiche werden hier zusammengewoben, die nicht selten in fulminante Crescendi ausufern. Der einsetzende Sprühregen intensiviert dieses Erlebnis nur noch mehr. Dass sie nur wenige Songs vom neuen Album „Valtari“ spielen, stört dabei gar nicht. Einziger Wermutstropfen sind jedoch die gelegentlichen Aussetzer der Videowand sowie der maue Sound: Die Beats von Frittenbude wollen wir dann doch nicht im Hintergrund hören, während Jónsi auf der Mainstage seine Gitarre bearbeitet.

The Killers sind wohl der Grund, wieso ein Wellenbrecher vor der Hauptbühne aufgebaut wurde. Direkt nach dem Sigur Rós-Konzert schwärmen die Fans nach vorne, um sich einen guten Platz für Brandon Flowers und Co. zu sichern. Wir lassen es uns derweil nicht nehmen, die britischen Techno-Urgesteine von Orbital anzuschauen. Platz zum Tanzen ist genug vorhanden.

Sigur Rós live auf dem Berlin Festival 2012
Sigur Rós
Orbital live auf dem Berlin Festival 2012
Orbital

Während die große Videoleinwand die ersten Resümees des Tages via Twitter einblendet, nehmen wir den Shuttlebus zum Club X-Berg, wo das Programm fortgesetzt wird. Allerdings gestaltet sich dieses Vorhaben schwieriger als gedacht. Die Warteschlange für den Transport scheint endlos zu sein und die Busse lassen auf sich warten. Kurz vor ein Uhr kommen wir endlich los. Von Metronomy, die in der Arena spielen, bekommen wir deshalb nur die letzten beiden Songs mit.

Wenigstens kann man sich kurz darauf bei Dumme Jungs richtig verausgaben. Mit ihrem genial-stumpfen Elektro-Set bringen sie jeden zum Schwitzen, der sich auf der Tanzfläche befindet. Und das im kleinen Arena-Club. Ausgepowert von diesem Exzess schauen wir uns danach Brandt Brauer Frick im Glashaus an, wenn das schon mit dem Ensemble nicht geklappt hat. Der repetitive und minimale Sound der Berliner geht ungemein ins Bein und bildet einen ordentlichen Abschluss des Tages.

Crowd auf dem Berlin Festival 2012

Samstag

Jamie N Commons ist die Überraschung des Festivals. Auf einem unscheinbaren Slot der Zippo Encore-Stage platziert, bietet er mit seiner Band etwas, was gestern ein wenig vermisst wurde: Rock’n’Roll! Mit starkem Blues-Einschlag und einer Stimme, die Ihresgleichen sucht, überzeugt er restlos. Und das mit gerade mal einer einzigen EP im Repertoire.

Eine weitere spannende Newcomerband gibt es direkt im Anschluss auf der Hauptbühne zu bestaunen: Django Django aus Großbritanien. Beinahe alle Songs von ihrem grandiosen Debütalbum geben sie heute zum Besten. Letztenendes hätte ruhig noch ein wenig mehr Biss hinter ihrer Performance stecken können – schließlich sind die Songs auf der Platte wahnwitzige psychedelisch-verspielte Ohrwürmer. Aber hey, es war ihr erster Auftritt in Deutschland. Unbedingt auf dem Radar behalten!

Heute Nachmittag geht es Schlag auf Schlag mit den spannenden Bands. Ursprünglich über ein Fleet Foxes-Cover bekannt geworden, spielten sich First Aid Kid schnell ins Herz der Folk-Fans. Auf der Bühne überzeugten die Schwestern mit einem Sweetness-Faktor, der durch die Decke geht. Ganz nebenbei transformierten sie “When I Grow Up” von Fever Ray in eine Folk-Version.

Danach steht Kontrastprogramm auf dem Plan. Kraftklub aus Chemnitz geben sich auf der Hauptbühne die Ehre. Die Massen haben genug Zeit gehabt, sich warm zu trinken und stellen ihr Können im Jubeln, Pogen und Springen unter Beweis. Selbst die Songs der ersten EP “Adonis Maximus” werden aus voller Kehle mitgesungen. Dem Sänger Felix steht die Freude ins Gesicht geschrieben – besonders wenn er tausende Leute des Berlin-Festivals dazu bringt, “Ich will nicht nach Berlin” zu grölen.

Kraftklub live auf dem Berlin Festival 2012
Kraftklub

Für Franz Ferdinand war es direkt im Anschluss zu Kraftklub ein Leichtes, das warmgetanzte Publikum für sich zu gewinnen. Wir schauen uns derweil iamamiwhoami auf der Hangar 5-Bühne an. Auch hier haben wir es mit einem Hype zu tun, der jedoch völlig gerechtfertigt ist. Jonna Lee hat mittlerweile ihre Identität ein wenig mehr gelüftet und säuselt ihre vertrackten Songs  im gewagten Dress. Das ist spannend, mysteriös und geht vor allen Dingen gut ins Ohr.

Da wir nicht erneut Ewigkeiten für den Shuttle anstehen wollen, machen wir uns auf dem Weg zur Silent Disco, die in diesem Jahr die größte Silent Disco der Welt werden soll. Ob dieses Vorhaben geklappt hat bei 20 Euro Kopfhörer-Pfand? Mühsam kratzen wir unser Geld zusammen, holen uns die Kopfhörer und ab geht der Spaß. Auf zwei verschiedenen Kanälen spielen die DJs, was Spaß bereitet – von Spice Girls über Sido bis hin zu Queen. Sehr lustig anzusehen, und besonders anzuhören – wenn man die Kopfhörer mitten auf der Tanzfläche mal abnimmt.

Die Silent Disco ist so spaßig, dass wir die Zeit vergessen und Modeselektor im Club X-Berg verpassen. Geschenkt. Trotzdem wollen wir uns noch Slamgsmålsklubben anschauen. Die Jungs nehmen das Glashaus von der ersten Sekunde an mit ihrem brachialen nintendo-artigen Elektro auseinander und das Publikum feiert, als ob es keinen Morgen gibt. Putz bröckelt von der Decke, Stagediver fliegen durch den Raum und die Musiker haben ein fettes Grinsen im Gesicht. Zum Schluss dürfen alle auf der Bühne mit der Band gemeinsam feiern. Besser kann ein Festivalabschluss kaum sein.

Das Berlin Festival ist wohl einfach wie kein zweites zu erreichen. Einfach in die richtige U-Bahn steigen, Platz der Luftbrücke wieder aussteigen und schon ist man beinahe direkt vor dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof. Nur mit Auto ist die Anreise ein wenig mühsamer, da Parkplätze in der Innenstadt ein rares Gut sind. In den nahe gelegenen Wohngegenden findet man sicher etwas – man muss nur Geduld mitbringen 😉

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